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Leyser kann auch Lauter sein

"Wie schafft es ein Mann, daß sein 9-Tage-Bart immer genau gleich aussieht?" Diese Frage stellten wir uns jede Deutschstunde aufs neue, wenn unser Lehrer in M14 geschlurft kam. In rosa Strickjacke, Birkenstock, mit Studentenledertasche, nicht zu vergessen das Öko-Strick-Käppi, das vielleicht seine... Nein, nein Herr Leyser, keine Angst, wir schreiben jetzt nichts über Ihre "Frisur", denn darüber ist bereits genügend Literatur vorhanden (siehe Abizeitung 19xx).

So besonders wie sein Auftreten, so interessant war auch sein Unterricht. Für uns ungewohnt (und keinesfalls selbstverständlich) war beispielsweise, daß man bei ihm ausreden durfte, was völlig neue Perspektiven1 eröffnete. Er hörte zu, egal, wie verquer unsere Äußerungen auch auf uns selbst wirkten.

Im Gegensatz zu der Mehrzahl der Kursteilnehmer verstand er Andreas' Fragen und zeigte sich auch bei Alexanders Vorträgen ohne Punkt und Komma, dafür gespickt mit Wiederholungen, sehr ausdauernd und geduldig. Er ließ sich weder durch Maikes exzessives2 Geldzählen, noch durch Aggis Hartnäckigkeit, auch in Deutsch ihre mathematisch physikalischen Forschungen fortzusetzen, aus der Ruhe bringen. Dafür brachte er uns manchmal aus der Ruhe (bzw. aus den Unterhaltungen), indem er unerwartet in Schreien verfiel oder wild gegen das Pult hämmerte.

Exemplarisch3 für seine pädagogischen Fähigkeiten seien zwei Erfolge bei seinen Schülern genannt: Carsten schrieb gleich zweimal 8 Punkte (rotes Kreuz im Kalender), wobei seine schriftlichen Ausführungen bis zu fünf Seiten umfaßten (das sind mehr als 500% seiner Ethikklausuren). Jens hatte nach anderthalb Jahren soviel Vertrauen zu seinem Deutschlehrer gefaßt, daß er sich diesem schließlich um fast einen halben Meter näherte, indem er sich nun auf den nur am zweitweitesten vom Lehrerpult entfernten Platz setzte.

Wie aufmerksam Herr Leyser stets seine Schüler wahrnahm, zeigte sich in psychologisch wertvollen Analysen ihres Verhaltens bei der Notenbesprechung: Yara und Anna, die zeitweise im Zwillings-Look erschienen, nannte er eine "Deutsch-Symbiose"4 und Sabine wurde mit "Du bist ganz schön verlottert5!" charakterisiert.

Beachtenswert ist des weiteren sein außerordentlicher Spürsinn für nicht gemachte Hausaufgaben. Doch auch hier zeigte er sich äußerst pädagogisch und einfühlsam ("Jens, was kannst Du uns über die 8. Szene sagen?" - "Im Moment gerade nichts" - "Ja, wann kann ich Dich denn dann mal anrufen und fragen?" - "Wenn ich's überflogen habe.").

Auch schwierige Sachverhalte verstand unser Deutschlehrer in fälschungssicheren Tafelbildern mit vielen Pfeilen, Kästchen und Leyser-spezifischen6 Zeichen anschaulich darzustellen und selbst komplizierteste physikalische Phänomene7 in die Alltagssprache zu transferieren8 ("Bäng", "Zong", "Wusch", "Bumm"9). Dabei erweiterte er unsere Allgemeinbildung beträchtlich: Wir wissen jetzt, wie man eine Atombombe baut und daß "eine Wolke nicht einfach nur Tröpchen macht".

Er ließ uns an seinen Erfahrungen teilhaben, die er bei seinen heimischen "Do-It-Yourself-Versuchen" sammelte. Durch Gießen seines Videorecorders erkannte er so scharfsinnig, daß sich Strom und Wasser wohl nicht so mögen. Zuweilen verfiel aber auch er in endlose (aber meist interessante) Monologe10, denen in der Pause einzelne Personen zum Opfer fielen, während der Rest in den Genuß einer leicht verlängerten 5-Minuten-Pause kam.

Nach dem Motto "Ihr seid ja nur GRUND-Kurs11" mutete er uns nie zuviel zu. Als einzige Zumutung allerdings empfanden wir "Die Wand" - jenes Buch ohne Inhalt, das Herr Leyser uns wohl nur deshalb als gut anpries, weil es schon seit Jahren ungelesen in der Schulbibliothek lag. Einen Vorteil hatte aber auch dieses Werk: Nachdem wir uns durch die ersten 50 Seiten gequält hatten, konnten wir ohne Problem aktiv an den Diskussionen über die "Wand"-thematik teilnehmen, da sich auf den restlichen 200 Seiten nichts Nennenswertes mehr ereignete.

Nach Faust, Woyzeck, Galilei, Oppenheimer und Kafka, dem blonden Eckbert, Zukunfts- und Computerthemen, Psychotests und Wissensspielen, Tagebüchern und Gedichten haben wir nicht nur gelernt Fremdwörter nachzuschlagen (siehe Fußnoten), passend zu zitieren12, sich eigene Gedanken zu machen, diese in kurze - leicht verständliche - Sätze zu fassen, und geduldig der Rückgabe der Arbeit ("Nach den Ferien...") zu harren, sondern auch, daß Deutschunterricht zuweilen richtig Spaß machen kann!


Fußnoten

1  Aussicht; hier eröffnen sich neue, erstaunliche, nicht geahnte Blickwinkel
2  im Übermaß, gewissermaßen die XXXL-Version eines Verhaltens; mehr als es einem (und den anderen) gut tut. (G. Leyser)
3  beispielhaft, musterhaft
4  ist, wenn zwei grundverschiedene Wesen so eng zusammen leben und voneinander profitieren, dass man sie nur noch als Einheit wahrnehmen kann. (Näheres von Bio LK-Teilnehmern) (G. Leyser)
5  Eigenschaftswort, tadelnd verwendet für fehlende Ordnung, Einstellung und äußere Form (vgl. Lotterleben). Die Verlotterten selbst fühlen sich mitunter ganz wohl in ihrer Haut. (G. Leyser)
6  spezifisch: (art)eigen, eigentümlich
7  Erscheinung, etwas sich den Sinnen Zeigendes
8  umwechseln, übertragen
9  zweifellos ein Onomatopoetikum, gedacht für Menschen, denen das Lesen zusammenhängender Texte schwerfällt: Zoing - ssssss - zong beschreibt z.B. einen Schuss von Robin Hood, bei dem der Pfeil in einer kapitalen Eiche steckenbleibt. R.H.s Pfeile bleiben übrigens immer in Schurken oder mindestens Bäumen stecken und landen nicht kraftlos in irgendwelchen Wiesen. (G. Leyser)
10  Aussprache eines Einzelnen; Selbstgespräch
11  a) Einführung in die Bodenkunde (Pedologie); b) Ansammlung von Schüler/innen, die sich nicht in den Leistungskurs getraut haben (G. Leyser)
12  hohe Kunst der schriftlichen (oder mündlichen) Wiedergabe von bereits Geäußertem. Manchmal unerlässlich, wenn andere schon bessere Gedanken gehabt haben. Fairerweise sollte man "Gänsefüß-chen" setzen, bevor es jemand sowieso merkt. (G. Leyser)

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