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Öldi Söldi Sippdi Sei...

Mit unerschütterlichem Enthusiasmus betritt er den Klassenraum, der nur zur Hälfte gefüllt ist. Ein strahlendes Lächeln auf dem Gesicht begleitet seinen regelmäßigen Gruß : "Einen wunderschönen guten Morgen".
Von den Schülern wird seine Begeisterung allerdings nur madig erwidert, was ihr aber keinen Abbruch tut.
Immer korrekt in Anzug und Krawatte (die er jedes Jahr an Weiberfastnacht gemäß seinem Karnevalsengagement zur Verfügung stellt), sitzt er am Pult und versucht, der vollkommen desinteressierten Klasse den Lehrstoff näherzubringen. Mit kleinen Anekdoten aus seinem Leben, die sich aus Erlebnissen von Nachbarn, ehemaligen Schülern und entfernten Bekannten zusammensetzen, lockert er den trockenen Unterricht auf. Immer wieder stehen dabei lebhafte Diskussionen über Gefahren und Vorteile von Kernkraftwerken und sonstige politische Themen.
Sein Wissen bezieht er aus seiner Tätigkeit in der Eltviller CDU und dem städtischen Abfallverband. Außerdem ist er stolz auf seine Arbeit für wirtschaftliche Unternehmen, die er sicher dank seiner schillernden Persönlichkeit bereichert.
Der eigentliche Unterricht ist leider weniger spannend als die kleinen Abschweifungen, die zur Erholung der Schülerschaft dienen. Meistens scheitert unser hochmotivierter Lehrer an der völlig unbeteiligten Haltung der Schüler, die er durch verzweifelte Ausrufe wie "Du Tünnes!, Uffpassen!, Du Duddel!" oder "Ihr Nachtwächter!" aus ihrer Lethargie zu reißen sucht. Sein "Auf, ihr Leute", bleibt jedoch leider unerwidert.
Da er auf freiwillige Meldungen meistens vergeblich wartet, dient ihm der Abzählvers "Öldi, söldi sippdi sei, öldi, söldi, knöll" (was auch immer das heißen mag) zur Auswahl eines Schülers, wobei er seinen Zeigefinger eher wahllos durch die Gegend schweifen läßt, um bei dem Opfer zu verharren. Auf das häufig vorkommende verständnislose Schweigen reagiert er mit einem aufmunternden "Hänschen piep einmal!".
Zwar erkundigt Herr Bermuth sich von Zeit zu Zeit pflichtbewußt nach Verständnisfragen, überhört diese im Normalfall aber gekonnt. Begeistert von den Wundern der modernen Technik, ist er mit einen teleskopartig ausziehbaren und einem Laserzeigestock ausgerüstet, die ihm bei der Ausführung seiner Mission behilflich sind. Abgesehen von seinem Hang zu möglichst komplizierten griechischen Symbolen, ist auch seine prinzipielle Weigerung, Aufgaben zu erklären, oft ärgerlich. Allerdings liegt das Problem wohl auch in der Unfähigkeit vieler, ihm überhaupt zuzuhören. Hier zeigt sich seine Gutmütigkeit, mit der er es fertigbringt, sich über das ständige Gemurmel aus allen Ecken hinwegzusetzen. Trotz seiner "Old-School-Mentalität", die sich an seinem Kleidungsstil und seiner 50er-Jahre-Fernsehbrille zeigt, hat er immer Verständnis für die Fehler seiner Schutzbefohlenen. So gab er einer faulen Schülerin die Chance, den nötigen, aber völlig unverdienten Leistungspunkt durch ein Referat zu erreichen. Da er ihre Unfähigkeit kannte, war das Thema aus dem Stoff der 8. Klasse gewählt: Das Kugelvolumen. Ich bin ihm auf ewig zu Dank verpflichtet.
Seine Menschlichkeit zeigte sich auch dann, wenn Schüler, wie es regelmäßig vorkam, erst zum Ende der Stunde erschienen.
Alles in allem war der Unterricht bei Herrn Bermuth auch für diejenigen, die von dem Wort "Mathematik" Schreikrämpfe bekommen, wenn schon nicht lehrreich, so doch dank seiner Persönlichkeit und seiner Geschichten aus dem Leben amüsant und interessant. Vor allem seine "Jugendstreiche" dienten unserer Erheiterung, besonders, da sie in einem anscheinend selbstgeschaffenen und unverwechselbaren Dialekt vorgetragen wurden.
Ich entschuldige mich hiermit dafür, daß ich ihm das Leben schwer gemacht habe (was ihn aber nie davon abgehalten hat, unsere Klasse jahrelang aus Pflichtgefühl weiter zu unterrichten, nachdem er sie schon aufgegeben hatte).

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